BOKP Lilien Institut Paartherapie Wiesbaden

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Sexualität ist ein wichtiges Thema in Partnerschaften, doch allzu oft bleibt die Leidenschaft im Alltag auf der Strecke. Vor allem, wenn die Kommunikation fehlt.

„Wir haben ein- bis zweimal pro Woche Sex.“ Für Karin* (50) und Rüdiger* (64) ist Sex ein wichtiger Teil ihrer Beziehung. Beide wissen, was ihnen gefällt und was nicht und sie können darüber reden. Das war nicht immer so. „Für die meisten Paare ist es schwer, über ihr Sexualleben zu sprechen. Vor allem, wenn sie sich schon in einer längeren Beziehung befinden“, weiß Felix Arnet. Als Beziehungscoach hilft er Paaren in seiner Praxis in Wiesbaden wieder zueinander und zu einer erfüllten Sexualität zu finden. Je länger eine Partnerschaft dauert, desto mehr verändert sich auch die Sexualität. „Anfangs ist es ein hormonelles Feuerwerk“, sagt der Therapeut, „beide Partner sind offen für Neues, neugierig aufeinander.“ Doch eines Tages erlischt das Feuer, aus Leidenschaft wird Normalität.

Wenn der Alltag Einzug hält

Karin und Rüdiger lernten sich vor 23 Jahren kennen. „Wir haben uns stark voneinander angezogen gefühlt“, erinnert sich Karin. Rüdiger ergänzt: „Wir hatten wirklich regelmäßig Sex, manchmal mehrmals am Tag.“ Doch dann passierte, was bei den meisten Paaren passiert: Der Alltag kam dazwischen. Jobs, Kinder, Beziehungsprobleme, an Sex war kaum noch zu denken. „Es gab Monate, in denen wir überhaupt keinen Sex hatten“, erzählt Karin. „Vor allem während und kurz nach der Schwangerschaft, aber auch in Monaten, in denen die Beziehung nicht so intakt war.“ Dieses Phänomen kennt auch Paartherapeut Felix Arnet aus Wiesbaden: „Nach der ersten Hochphase, wird der Sex normal. Die Partner kennen sich zu gut“, sagt Arnet. Daraus entsteht Eintönigkeit und Langweile. Hinzu kommt die Kindererziehung, die vorwiegend in den ersten Lebensjahren die Eltern auslaugt. „Wenn Kinder da sind, hat es die Sexualität erst einmal schwer. Und je länger Paare zusammen sind, desto mehr rückt bei vielen der Sex in den Hintergrund.“ Arnet erinnert sich an ein Paar, Mitte 20, seit der Schulzeit zusammen. „Sie wussten nicht mehr, wann sie zum letzten Mal miteinander geschlafen hatten.“

Umgekehrt kann das Alter wieder mehr Erfüllung bringen. „Vor allem Frauen jenseits der 50 haben wieder richtig Lust auf Sex“, stellt Arnet immer wieder fest. Daher sollten Männer sich nicht unter Druck setzen, auch wenn es mit der Potenz nicht mehr so gut funktioniert. Der Paartherapeut macht Mut: „Das Beste kommt noch!“ Und wenn es aufgrund von Krankheiten oder Alterszipperlein nicht mehr geht? „Zärtlichkeit, für den anderen da sein, emotionale Nähe, das ist jetzt wichtig“, rät Arnet.

Grundpfeiler der Beziehung

Ist Sex denn wirklich so wichtig? „Ja“, meint Felix Arnet, der in seinem Lilien-Institut in Wiesbaden Paare in Beziehungskrisen berät. „Wenn der Sex nicht mehr funktioniert, funktioniert auch die Beziehung nicht“, betont der systemische Paartherapeut. Zwar gibt es Paare, die kaum bis gar keinen Sex haben und damit zufrieden sind, so wie Geli* (49) und Martin (51). „Am Anfang war es schön. Inzwischen brauchen wir, das beide nicht mehr“, sagt Geli. „Wir sind beide mit der Nähe des anderen zufrieden und glücklich.“ Doch häufiger erlebt Arnet, dass zumindest ein Partner unzufrieden ist. „Für uns Menschen ist es ein Grundbedürfnis, sich zu vereinigen, die Nähe zum anderen zu spüren. Genau das macht Sexualität aus“. Für Arnet ist Sex ein wichtiger Grundpfeiler in Partnerschaften, „Eine nicht vorhandene Sexualität sorgt für Verunsicherung.“ Zumindest bei dem Partner, der noch Lust hat. Unsicherheit und Unzufriedenheit führen dazu, dass Paare sich trennen oder in Außenbeziehungen stürzen.

Raus aus der Krise

Das alles ließe sich lösen, wenn nur die Kommunikation stimmen würde. Doch eine wertschätzende und liebevolle Kommunikation geht oft als Erstes verloren. Auch für Arnet sind emotionale Nähe und Kommunikation das Wichtigste. „Wenn die Partner nicht mehr miteinander sprechen, schleicht sich die Sexualität aus.“ Doch das ist einfacher gesagt als getan. Angst, Scham und Druck hemmen. Daher hat Felix Arnet für seine Klienten die „Paarkonferenz“ entwickelt. „Paare müssen lernen, sich wieder Zeit zu nehmen“, erklärt Arnet. Zu viel passiere zwischen Tür und Angel. Daher sollen die Paare einmal in der Woche für 45 Minuten miteinander über ihre Beziehung reden. „Die Sexualität kommt da automatisch zur Sprache.“ Vielen ist das anfangs peinlich, doch die richtige Kommunikation kann man lernen. „Wichtig ist, dass Sie formulieren, was Sie sich wünschen und gleichzeitig auch sagen, was Sie dafür tun können“, erläutert Arnet. Karin und Rüdiger haben mit der Zeit gelernt, über ihre Bedürfnisse zu sprechen. „Unser Sexleben ist wieder aufgeblüht, weil wir inzwischen offen über alles reden“, sagt Rüdiger. „Und weil wir uns viel Zeit nehmen und körperliche Nähe wieder sehr genießen“, ergänzt Karin.

Viele zögern jedoch lange, Probleme anzusprechen. „Oft ist es schon fünf vor zwölf, wenn Paare zu mir kommen“, sagt Arnet. „Dabei ist es für eine Paartherapie nie zu früh!“ Wichtig ist, dass beide Partner sich darauf einlassen und ihre Beziehung wirklich retten möchten. Hier können die Partner in einem geschützten Raum offen sprechen und sich so als Paar wiederfinden.

Ist Sex also tatsächlich das Wichtigste in einer Beziehung? „Guter Sex ist ein Schlüssel zur Haltbarkeit einer Beziehung, aber nicht alles. Ohne eine klare, wertschätzende und respektvolle Kommunikation entfremde ich mich von meinem Partner.“ Auch für Arnet sind die wichtigsten Grundpfeiler Respekt, Achtsamkeit und vor allem Kommunikation: „Wenn die Kommunikation stimmt, stimmt die Partnerschaft und wenn die Partnerschaft stimmt, funktioniert auch die Sexualität.“

* Namen von der Redaktion geändert

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Sex in Zahlen

Die meisten Deutschen zwischen 18 und 55 Jahren haben 4- bis 5-mal im Monat Sex. Ältere bis 75 Jahren haben noch mindestens einmal im Monat Sex.

Eine kanadische Studie hat herausgefunden, dass Paare, die einmal pro Woche Sex haben, die größte Zufriedenheit zeigen.

Quellen: Studie: Gesundheit und Sexualität in Deutschland (GeSiD), 2020; Studie: Sexual Frequency Predicts Greater Well-Being, But More is Not Always Better, 2015